Chronik der Stadt Kyllburg 800 - 2000
Kyllburg in der Zeit der Fürstäbte und Kurfürsten (900 bis 1794)
3. Bauperiode: 16. Jahrhundert
Die dritte und letzte Bauperiode, der obere Aufbau des Turmes nämlich, der den Westgiebel nach Norden flankiert, gehört bereits dem Ausgange der Spitzbogenkunst, nämlich dem Beginn des ersten Viertels des 16. Jahrhunderts an. Zur Stütze dieser Annahme sei hingewiesen auf das technisch vollendete Mauerwerk und die korrekte Fügung der großen Quadern, aus welchen, nach unserer Vermutung, die Steinmetzzunft des Kylltales diese letzten Bauteile der Stiftskirche errichtet hat. Am deutlichsten markiert sich diese letzte Bauperiode durch das ärmliche Stabwerk ohne Bekrönung der Fenster in den obern Geschossen dieses Turmbaues, Fensterformen, wie sie am Rhein und seinen Nebenströmen das Erlöschen und den Niedergang der Gotik kennzeichnen
Bei Feststellung der verschiedenen Bauperioden der Kyllburger Stiftskirche sei noch darauf hingewiesen, dass nach Vollendung und dem Ausbau des ganzen Mittelschiffes auch die Errichtung eines kapellenförmigen Anbaues anzusetzen ist mit vier Kreuzgewölben, die von einer Rundsäule getragen werden, in welche die Gewölbrippen ohne Kapitelle verlaufen. Heute dient dieser zierlich gewölbte quadratische Anbau zu einer zweiten geräumigen Sakristei. Da im Mittelalter die Räume hinter dem Choraltar meist in Weise unserer heutigen Sakristeien zum Anlegen und zur Aufbewahrung der liturgischen Ornate benutzt wurden, da ferner in dem ebengedachten kapellenartigen Anbau unter einem großen zweiteiligen Fenster sich ein auf vier Steinsockeln ausgekragter Altartisch in primitiver Form erhalten hat, so dürfte die Annahme begründet sein, daß dieser quadratische Hallenbau ursprünglich als Nebenkapelle gedient habe, in welcher vielleicht bei kalter Winterzeit der Stiftsgottesdienst verrichtet werden konnte, und welche zu gleicher Zeit auch zur Abhaltung der Kapitelsitzungen benutzt worden sein dürfte. Nach Errichtung dieser ehemaligen Kapelle, über deren Wölbung sich früher die "Gerkammer", nach anderer Meinung die alte Bücherei, befand, scheint etwa am Anfange des 15. Jahrhunderts der An- und Ausbau der heute noch erhaltenen ausgedehnten Stiftsgebäulichkeiten mit dem gemeinsamen Speisesaal, dem "Remter", stattgefunden zu haben
Wie die an der Fassade befindlichen gotischen Doppelfenster von eigentümlicher Bildung, desgleichen auch der hoch aufgetürmte Kamin mit Rauchfang, sowie auch die Profilierungen der Fensterlaibungen beweisen, ist dieser merkwürdige Gebäudekomplex, wie schon angedeutet, erst am Anfange des 15. Jahrhunderts errichtet worden; derselbe zeigt auffallende Ähnlichkeit mit den formverwandten Fensterstellungen und architektonischen Einrichtungen des Einganges zum Claustrum an der Ostseite des Trierer Domes, desgleichen mit den Fensterformen von alten Trierer Wohnhäusern aus derselben Bauperiode
An diese Stiftsgebäulichkeiten schließt sich der Bau des Quadrum, der Kreuzgänge an, der den direkten Eintritt in das Kapitelhaus, desgleichen auch in den Hochchor vermittelt. Auch nach Westen und Osten hin führen von den später errichteten Curien der Stiftsherren Einlaßtüren in diese Kreuzgänge. Hinsichtlich der Zeitfolge dürfte man nicht fehl gehen, wenn man die Errichtung dieser Kreuz- oder Umgänge in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts versetzt, unmittelbar nachdem der spätere Ausbau des Schiffes nach Westen hin erfolgt war
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